Was ist eine Epilepsie?

Unter einer Epilepsie (aus griechisch epilepsis „der Anfall, der Übergriff“), im Deutschen die Fallsucht genannt, versteht man ein Krankheitsbild mit mindestens zwei wiederholt spontan auftretenden epileptischen Anfällen (Krampfanfällen), die nicht durch eine vorausgehende erkennbare Ursache hervorgerufen wurden.

Die Epilepsie entsteht durch ein gestörtes Gleichgewicht der elektrischen und chemischen Signale zwischen den Milliarden von Nervenzellen (Neuronen) unseres Gehirns. Neuronen erzeugen normalerweise elektrochemische Impulse, die auf andere Nervenzellen, Drüsen und Muskeln wirken und Gedanken, Gefühle und Handlungen auslösen. Bei einem epileptischen Anfall entladen sich plötzlich viele Nervenzellen gleichzeitig (500-mal in der Sekunde, viel schneller als die normale Rate von etwa 80-mal pro Sekunde). Diese nicht normalen Entladungen breiten sich im Gehirn aus und reizen in unnatürlicher Weise einzelne Gehirngebiete oder das ganze Gehirn. Je nach gereiztem Gehirngebiet ist die Erscheinungsform der epileptischen Anfälle ganz unterschiedlich ausgeprägt.

Welche Anfallsformen gibt es?

Die verschiedenen Verlaufsformen der epileptischen Anfälle werden nach der Definition der Internationalen Liga gegen Epilepsie (ILAE) wie folgt eingeteilt.

Generalisierter Krampfanfall

Umfasst die Aktivität von Beginn an das ganze Gehirn oder zumindest beide Hirnhälften gleichzeitig, so ist dies ein generalisierter Anfall. Die generalisierten Anfälle werden in drei Untertypen unterteilt:

  1. Konvulsive Anfälle, der typische „große“ Anfall mit Bewusstseinsverlust, Sturz, Verkrampfung und anschließend rhythmischen Zuckungen beider Arme und Beine (tonisch-klonischer Anfall oder früher auch französisch ‚Grand-mal‘ genannt), aber auch Verlust der Spannung der Muskulatur (atonischer Anfall) oder krampfhaft gesteigerte Spannung der Muskulatur (tonischer Anfall).
  2. Nicht konvulsive generalisierte Anfälle, die Absence-Anfälle mit kurzer Bewusstseinspause ohne Sturz, früher auch französisch mit Petit-mal bezeichnet.
  3. Myoklonische Anfälle, bei denen einzelne oder unregelmäßig wiederholte Zuckungen einzelner Muskelgruppen auftreten.

Partieller Krampfanfall (fokal)

Diese Anfallsform ist dadurch gekennzeichnet, dass es ein Zeichen für einen Beginn des Anfallsgeschehens in einer umschriebenen Region des Gehirns gibt. Dabei ist es egal, ob es zu einer sekundären Ausbreitung auf die restliche Hirnrinde kommt (sekundäre Generalisierung). Insbesondere ein Anfallsbeginn mit einer Aura hat einen hohen Aussagewert darüber, in welcher Hirnregion der Anfall seinen Ursprung hat, denn sie ist das Ergebnis einer umschriebenen Aktivierung von Nervenzellverbänden.

· Wenn der Patient beim Anfall wach ist und angemessen auf seine Umgebung reagiert, wird der Anfall einfach partiell genannt.

· Wenn das Bewusstsein eingeschränkt ist und eine Erinnerungslücke oder Verwirrtheitszustände während des Anfalls oder danach auftreten, wird der Anfall komplex partiell genannt.

· Bei manchen Anfällen kann man keine Unterscheidung zwischen einfach und komplex partiell treffen. Dann nennt man ihn partiellen Anfall unbekannten Typs.

· Weitet sich das Anfallsgeschehen nach herdförmigem Beginn zu einem generalisierten Anfall aus, so nennt man ihn komplex partiellen Anfall mit sekundärer Generalisierung.

Aura

Der Begriff Aura stammt aus dem Griechischen und bedeutet die „Wahrnehmung eines Lufthauches“. Man könnte sie auch mit einem „unbestimmten Vorgefühl“ umschreiben. Wenn die Aura isoliert bleibt, kann sie das einzige – subjektive – Symptom eines einfach partiellen Anfalls darstellen. Sie ist das Ergebnis einer epileptischen Aktivierung der Nervenzellen einer umschriebenen Hirnregion. Aufgrund der funktionellen Zuordnung der Symptome zu den entsprechenden Arealen der Hirnrinde kommt ihnen eine hohe Bedeutung in der Lokalisationsdiagnostik von epilepsieauslösenden Herden zu. Breitet sich die epileptische Aktivität aus, kann ein sogenannter sekundär generalisierter Anfall folgen.

Beispiele für Auren sind die sogenannte viszerale Aura, ein Aufsteigen unbestimmt unangenehmer Gefühle aus der Magengegend, als häufigste Aura bei Schläfenlappenepilepsie, Taubheitsgefühle, Kribbeln oder Nadelstiche als Aura bei Scheitellappenepilepsie oder visuelle Halluzinationen bei Hinterhauptslappenepilepsie.

Multiple Anfallsformen

Wenn bei Patienten sowohl generalisierte als auch partielle Anfälle auftreten, so muss jeder Anfallstyp beschrieben werden.

Unklassifizierte Anfälle

Diese Kategorie soll nur benutzt werden, wenn aufgrund fehlender Information das Anfallsgeschehen in keine der anderen Kategorien eingeordnet werden kann.

Welche Ursachen hat eine Epilepsie?

Es lassen sich drei Gruppen von zugrundeliegenden Ursachen unterscheiden:

1. Symptomatische Epilepsien sind die Folge einer nachweisbaren Hirnschädigung.
Häufige Ursachen für eine Schädigung des Gehirns sind:

  • Entzündung
  • Hirnblutung
  • Sauerstoffmangel während der Geburt
  • Hirnverletzung durch Unfall
  • Stoffwechselstörung des Gehirns
  • Tumor
  • Fehlbildung in der Hirnentwicklung
  • Durchblutungsstörung (Schlaganfall)

2. Idiopathischen Epilepsien liegt eine erbliche Veranlagung zugrunde. Epilepsie ist keine Erbkrankheit im engeren Sinne, denn es werden nicht die epileptischen Anfälle an die Nachkommen vererbt, sondern nur die Neigung zu solchen Anfällen. Einige Epilepsieformen lassen sich auf die Veränderung eines bestimmten Gens zurückführen. Viele andere Epilepsieformen kommen familiär gehäuft vor.
3. Trifft keine der beiden oben genannten Ursachen zu, dann spricht man von einer kryptogenen Epilepsie.
Darüber hinaus spielen Lebensumstände und Umwelteinflüsse eine wichtige Rolle.

Wie wird eine Epilepsie behandelt?

Ziel der Behandlung bei Epilepsien ist die völlige Anfallsfreiheit mit möglichst wenigen oder ohne Nebenwirkungen. Allen Patienten soll eine Lebensform ermöglicht werden, die den Fähigkeiten und Begabungen gerecht wird. Die häufigste Behandlungsmethode bei Epilepsie ist die Verordnung von Antiepileptika (Antikonvulsiva). Sie sind krampflösende bzw. krampfverhindernde Substanzen, die die Nervenzellen stabilisieren und daran hindern, ständig Nervenimpulse auszusenden.

Es sind z.Z. 20 verschiedene Antiepileptika auf dem Markt, die alle unterschiedliche Vorteile und Nebenwirkungen haben. Je nach Epilepsieform und Ursache wird zwischen den verschiedensten Antiepileptika zur Therapie gewählt. Gängige Antiepileptika sind: Carbamazepin, Clonazepam, Gabapentin, Lamotrigin, Oxcarbazepin, Topiramat und Valporat. Neben den im eigentlichen Sinne krampfunterdrückenden Arzneistoffen gibt es für verschiedene schwer behandelbare Epilepsien noch weitere medikamentöse Behandlungsansätze, wie z. B. die Behandlung durch Hormone oder Corticosteroide. Diese sind jedoch sehr nebenwirkungsreich.
Wenn epileptische Anfälle, trotz optimaler Wahl der Antiepileptika in höchster ertragbarer Dosierung, nicht in den Griff zu bekommen sind, dann wird unter Umständen ein chirurgischer Eingriff in Erwägung gezogen.
Bei Epilepsien, die durch partielle Anfälle oder als partielle Anfälle beginnend, charakterisiert sind, lässt sich die für die Epilepsie verantwortliche Hirnregion identifizieren. Ein gezielter chirurgischer Eingriff ist möglich.

Auch durch bestimmte Diäten (ketogene Diät = Fettreich und arm an Kohlenhydraten und Eiweiß) lässt sich eine Epilepsie positiv beeinflussen.